Lernschwächen

Zeigen Kinder Lernschwächen nicht auf breiter Ebene sondern in eingegrenzten Bereichen wie z. B. beim Lesen und Schreiben oder beim Rechnen, so spricht man auch von Teilleistungsschwächen.

Lernschwächen, Lernstörungen und Teilleistungsstörungen zeigen sich bei betroffenen Kindern häufig zu Beginn der Grundschulzeit. Hilflose Eltern und erstaunte Lehrer müssen dann erkennen, dass das Schulkind, was sich so sehr auf den Schulbeginn gefreut hatte, mit dem Erlernen der Kulturfertigkeiten Lesen, Schreiben und Rechnen akut massive, wenn auch bislang meist ungeahnte Probleme hat. Beginnt mit dem Schuleintritt ein derart unglücklicher kindlicher Leidensweg, nimmt kindliche Lernmotivation und Begeisterungsfähigkeit für die zuvor noch innig herbeigewünschte Schule rasch ab. Das kindliche Selbstwertgefühl schwindet rapide.

Vor allem begabte Kinder kompensieren mit ihrer guten Intelligenz die versteckten Lernschwächen oft sehr lange mit mehr als unglücklichen kognitiven Ersatzstrategien, die sehr viel Energie beanspruchen und so zu verstärkter Unaufmerksamkeit führen. So lernen sie z.B. Texte auswendig und geben vor, diese zu lesen. Statt Schreibschrift präferieren sie die Druckschrift. Diktate werden stundenlang zu Hause geübt. So verschwenden sie ihr gutes Potenzial für den krückenhaften Ersatz von mangelnden basalen Wahrnehmungsfunktionen, die bei regelgerechter Entwicklung ihrem Alter entsprechend längst hätten automatisiert sein müssen.

Erreichen sie damit die Lernziele der 3. und 4. Grundschulklasse oder sogar diejenigen der gymnasialen Erprobungsstufe in Klasse 5 und 6, erfolgt häufig ein unerwarteter und massiver Leistungseinbruch auf breiter schulischer Ebene. Ehemals gute bis sehr gute Zensuren verschlechtern sich rapide. Kind, Eltern und Lehrer verstehen plötzlich die Welt nicht mehr - und kommen nicht selten zu falschen Schlussfolgerungen. Schlimmstenfalls wird dem Schüler von allen Seiten fehlende Lernmotivation und mangelnde Lernbereitschaft vorgeworfen. Die Versetzung ist gefährdet oder die Umschulung auf eine andere Schulform steht drohend im Raum. Der Schüler befürchtet insgeheim "dumm zu sein".

Die so entstandenen Lern- und oft Konzentrationsprobleme machen das Lernen zur Qual. Der Lernstoff wird nicht richtig aufgenommen und/oder nicht richtig interpretiert. Lerninhalte werden nicht gespeichert. Fehlerzahlen steigen sprunghaft. Rote Fehlerkorrekturen häufen sich am Heftrand der Klassenarbeit und sind nicht zu übersehen. Es beginnt ein Teufelskreis von Versagen, Angst und fehlender Lernmotivation.

Hinter Lernschwächen verbergen sich unterschiedlichste Wahrnehmungsdefizite, fehlende basale Automatisierungen und mangelhafte Low-Level-Funktionen. Frühkindliche Entwicklungsstufen wurden nicht physiologisch richtig durchlaufen.

Dies gilt für verschiedenste motorische und sensomotorische Fähigkeiten im Rahmen von Grobmotorik und Feinmotorik. Außerdem sind meist das taktile, das tiefensensible und das vestibuläre Sinnessystem sowie visuelle und auditive Wahrnehmungsfunktionen betroffen. Zudem beeinflussen sich all diese Sinnessysteme in bestimmten Abhängigkeiten und Regelkreisen gegenseitig.

Aus meinen langjährigen Erfahrungen mit Ganzheitliche Entwicklungs-, Bewegungs- und Lernförderung in allen Altersstufen kristallisiert sich eindeutig heraus: Je eher bei vorliegenden Lernschwächen mit intensiver ganzheitlicher Entwicklungs-, Bewegungs- und Lernförderung begonnen werden kann, desto reibungsloser ist auch das spätere Lernen möglich - unabhängig von Schulfach oder Schulform.

Wichtig ist es, den Kindern diese neurobiologischen Zusammenhänge kindgerecht zu vermitteln. Die Aussicht, ihre Lernschwäche nachhaltig in den Griff bekommen zu können, fasziniert und motiviert schon Erstklässler enorm.